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Atelierbesuch bei Tüpf Li


im Atelier (Foto: Sabina Speich)

Die kleine Wohnung der Künstlerin Sabina Speich alias Tüpf Li ist zugleich ihr Atelier: Eine eigene Welt voller Farben und Fäden. Viel Gehäkeltes liegt da, auch als QR-Code gestaltete Deckchen, zwei Stühle sind vollständig eingehäkelt. Wir sitzen auf dem üppig bewachsenen Balkon und die Textilkünstlerin erzählt mir, wie sie dazu kam, grossformatigen Junkfood zu häkeln.








Masterarbeit (Foto: Sabina Speich)

Während ihres Master-Studiums an der HSLU musste Sabina wegen eines Burnouts einige Wochen in einer Klink verbringen. Eine Ergotherapeutin ermunterte sie, verschiedenen Handarbeiten auszuprobieren. Das Häkeln gefiel Sabina so gut, dass sie fortan die Häkelnadel ihr Leben bestimmen liess. Sie krempelte sogar ihre Masterarbeit um und nahm ein Gemeinschaftsprojekt in Angriff. Dafür stellten Menschen Häkelrosen her, die sie während einem Event auf einem grossen, gemeinsamen Tuch platzieren. Das Ganze endete mit einem Umzug durch die Luzerner Altstadt.







Cup Noodles (Foto: Natalie Madani)

Eines Tages erzählte ihr ein Künstlerkollege, dass er eine gehäkelte Karotte bekommen habe. Daraus entstand die Idee, überdimensionale Esswaren zu häkeln. Lange Jahre hatte Sabina vor allem Fastfood gegessen, bis sie vor ein paar Jahren ihre Ernährung völlig umgestellte. Junkfood war also ein naheliegendes Thema. Damit macht die Künstlerin auf das Suchtpotenzial dieser Esswaren, unser Konsumverhalten und auf Foodwaste aufmerksam. Es interessiert sie, wie wir mit dem Essen umgehen. Die überdimensionale Grösse ihrer Objekte zeigt den Stellenwert, den das ungesunde Essverhalten in unserer Gesellschaft hat.




Produkte «Pringles» und «Oreo» (Foto: Sabina Speich)

Wenn Sabina ein neues Objekt in Angriff nimmt, kauft sie erst einmal das echte Produkt und studiert es von allen Seiten: Form, Farben, Details… Dann beginnt sie mit der Rückseite und definiert so Grösse und ungefähre Gestalt. Die Oberseite braucht viele Arbeitsgänge. Sabina arbeitet solange, bis die Erscheinungsform stimmt. Oft muss sie noch einmal einzelne Häkelstücke applizieren. Bestimmte Details stickt sie auf, manche abstrahiert sie. Es geht nicht um Genauigkeit und Fotorealismus, sondern um das Einfühlen in die Gestalt der Packung bzw. des Nahrungsmittels. Manchmal hilft eine App, die Fotos in ein Farbraster übersetzen kann.










Fliege (Foto: Sabina Speich)

Seit einiger Zeit wird das Objekt mit einem gehäkelten Scan ergänzt, der zu einem Video führt. Dieses zeigt etwa eine Schmeissfliege, die sich an einem Speiseeis ergötzt. Die Schmeissfliege sitzt dann auch noch in gehäkelter Form auf dem gehäkelten Eis. Hinter Sabinas Kunst steht kein erhobener Zeigefinger, sondern Sinn für Witz und Humor. Sie transformiert allgegenwärtige Dinge in eine überraschende, etwas abstruse Form, die das Publikum nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum Schmunzeln bringt.




Wolle (Foto: Mirjam Oertli)

Riesige Objekte verschlingen eine grosse Menge an Material. Sabina kauft selten im Garnhandel ein, sondern bekommt das meiste geschenkt. Sie findet es sinnvoll, wenn Garnreste nicht weggeworfen werden. Die Wolle wird nach Farben getrennt gelagert, so dass eine riesige Farbpalette zur Verfügung steht. Meist arbeitet die Künstlerin mit reinen Farben, da die Produkte, die sie häkelt, in klaren, auffallenden Farben gestaltet sind – sie sollen ja ins Auge stechen und zum Konsum animieren.



Streetart (Foto: Sabina Speich)

Der Künstlername Tüpf Li entstand, als Sabina damit begann, Streetart zu machen. Sie häkelte Dinge im öffentlichen Raum ein, was nicht immer ganz legal war … So benötigte sie einen Nicknamen. Tupfen hatten ihr schon als Kind gefallen, und ein Vorgänger ihres kleinen Hundes hatte Tüpfli geheissen. So wählte sie für sich den Vornamen Tüpf und den Nachnamen Li.












Pizzastück im Textilmuseum (Foto: Christine Läubli)

Zurzeit sind von Sabina Speich / Tüpf Li in der Öffentlichkeit verschiedene Arbeiten zu sehen:


In der opulenten Ausstellung «All You CanNOT Eat. Fake Food auf Stoff» im Textilmuseum St. Gallen zeigt sie ein Pizzastück und eine Noodlesoup.

https://www.textilmuseum.ch/eat/ (bis 13. Oktober 2024).


Im Skulpturenpark Steinmaur gestaltete Sabina aus Abfall, den sie auf Hundespaziergängen fand, eine überdimensionierte Fantaflasche. Die Etikette der Flasche besteht aus gehäkeltem Acrylgarn.


Instagram: @tuepf_li


Text: Christine Läubli

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