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Luxese – Textilkunst zwischen Luxus und Askese (Teil 2)

Christine Läubli: was bruuchts, 2025 (Detail)
Christine Läubli: was bruuchts, 2025 (Detail)

Vom 29. März bis zum 20. Juli 2025 ist im Museum Kloster-Muri die 1. Staffel der Ausstellung «Luxese – Textilkunst zwischen Luxus und Askese» zu sehen (siehe Blog vom 2. März 2025). Dieser Blog stellt weitere fünf Arbeiten der Ausstellung vor. Zwei Werke stammen aus der Textilwerkstatt des Klosters Eschenbach, in der liturgische Kleidung hergestellt werden. Das Messgewand trägt das Thema «Luxese» per se in sich.

 

ROSENKASEL Entwurf Sr. M. Luzia Güller, Herstellung Textilwerkstatt Kloster Eschenbach (Entstehungsjahr 2000)
ROSENKASEL Entwurf Sr. M. Luzia Güller, Herstellung Textilwerkstatt Kloster Eschenbach (Entstehungsjahr 2000)

Die Seide, insbesondere die Haspelseide*, ist das wertvollste Material, das in der Paramentik bei der Herstellung von Messgewändern verwendet wird. Nichts vermag das Licht und die Farbe besser zu reflektieren.

Die Technik der Kettmalerei ermöglicht in der Weberei grösste, gestalterische Freiheit. Auf die gespannte und beschwerte Kette wird Farbe aufgetragen. Die bemalten Seidenfäden lassen im fertigen Stoff durch ihre Besonderheit eine dritte Dimension entstehen, was den Stoffen eine grosse Einzigartigkeit gibt.

 Vor 50 Jahren begann sich Sr. M. Luzia Güller der Technik der Kettmalerei zu widmen. Als Autodidaktin forschte sie mit grosser Ausdauer und entwickelte dabei ihre eigene Arbeitsweise. Sie suchte nach lichtechten Farbstoffen und richtete ein Farblabor ein, das ihr ermöglichte, Farbpigmente für die Kettmalerei herzustellen. Der Entwurf für die ausgestellte Kasel stammt von Sr. M. Luzia Güller von. Blumenmotive ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr künstlerisches Schaffen.Das Thema im Rosengewand bezieht sich auf die Geschichte der Karmelitin Theresa von Lisieux (1873-1897), die in ihrem Testament schrieb: «Wenn ich gestorben bin, werde ich vom Himmel Rosen auf die Erde schicken.»

 *Haspelseide wird in einem Zug vom Kokon des Maulbeerseidenspinners Bombyx mori abgewickelt. Die davon übrig gebliebenen Reste werden gekämmt und zur Schappeseide versponnen. Aus den letzten Abfällen wird dann noch Bouretteseide gewonnen.

 

Sr. M. Ruth Nussbaumer: Leben, 2001 - 2006
Sr. M. Ruth Nussbaumer: Leben, 2001 - 2006

Sr. M. Ruth Nussbaumer lebt als Nonne im Zisterzienser-Abtei Kloster Eschenbach, wo sie das Amt der Äbtissin innehat. Das Bild entstand in einem langen Prozess während rund fünf Jahren. Immer wieder, wenn der „Luxus“ Zeit da war und es stimmig war, entstand eine weitere Schicht.

Das alte Leinentuch, das Sr. M. Ruth Nussbaumer im Kloster zufällig fand, trägt ihre Gedanken. Was sie im Moment gerade spürte, was sie erlebte, legte sie Schicht um Schicht – in kostbaren Momenten von freier Zeit, „asketisch und im sorgfältigen Tun“ – mit Farbe und Grafit auf und ins Tuch. Die Schichten wurden mehr und mehr, so dass sich die Worte im Spannungsfeld von Sichtbar und Unsichtbar mal zeigen, mal verlieren. 

 

 

Irene Brühwiler: Visuell Fasten, 2024
Irene Brühwiler: Visuell Fasten, 2024

Die drei folgenden Arbeiten stammen von den Kuratorinnen der Ausstellung, die erste von Irene Brühwiler:

In der Fastenzeit wird bis heute in vielen Kirchgemeinden der Entbehrungen des Lebens gedacht und auch visuell gefastet. Wichtige liturgische Gegenstände werden verhüllt. Ein zeitweises Abwenden von zu viel optischem Reiz tut Not, und so sind vielerorts auch wieder die weissen Tücher aus den Anfängen dieser Tradition zu sehen. Durch den Entzug des Blicks wird der Zauber des Dahinterliegenden umso geheimnisvoller. Ein Erahnen, ein kleiner Einblick weckt Bilder und Assoziationen. Wie viele hingebungsvolle Hände haben wohl am prachtvollen Kelchtuch gewirkt, wie viele Gebete und kirchliche Symbole sind in jenem sakralen Gewand verborgen? Was steckt hinter den Praktiken der Verhüllung und Enthüllung, und dem rätselhaft Unbeschreiblichen?

Die Möglichkeit, ihren Beitrag zu «Luxese» mit Exponaten aus dem Paramenten Schrank der Klosterkirche Muri zu inszenieren, war für Irene Brühwiler eine einmalige Gelegenheit. Der Umgang mit diesen Prunkstücken verdient besonderen Respekt, denn die aufwändig restaurierten Textilien werden immer noch zu bestimmten Anlässen im Kirchenjahr getragen. Das Interesse der Künstlerin pendelt zwischen Schutzhülle und Fastentuch. In der Weise reagiert sie auf bestehende sakrale Textilien und thematisiert die Spannweite zwischen Zeigen und Verbergen, Fülle und Leere, Luxus und Askese.

 

Marianna Gostner: Um-hang, 2025
Marianna Gostner: Um-hang, 2025

In der Ausstellung zeigt Marianna Gostner eine Decke, einen Umhang ihrer Großmutter Anna. Es ist ein Geschenk, das der Bergbauer Josef, ihr Großvater, etwa vor 90 Jahren seiner immer frierenden, kränklichen Frau für die Kirchenbesuche gekauft hat. Marianna Gostner stellt sich den Bauern Josef vor, wie er vom Bergdorf in die Stadt fährt und diesen Umhang kauft – nicht einen einfachen aus Wolle, sondern einen aus Wolle und Seide. Dieser Luxus ist nicht beherrscht von einem „Bedürfnis ohne Bedürfnis“. Den Begriff Luxese gab es damals noch nicht, aber man kann ihn sehr gut in Verbindung mit diesem Umhang bringen und das damals asketisch, religiös geprägte Leben von Anna. Dieser Umhang war zur damaligen Zeit für einen reichen Kaufmann oder Fabrikanten kein Luxus, für einen Bergbauer sicher schon, obwohl ihn sich Josef leisten konnte. Luxus ist das, was über das Notwendige hinaus geht. Das Wort Luxese ist ein Kompromiss, sensibilisiert das Konsumverhaltens, es hinterlässt aber ein bitteres Gefühl, das Gefühl, dass ein Luxese-Leben nur möglich ist, wenn man sie sich auch leisten kann. Mit ihrer Arbeit zeigt Marianna Gostner den Weg von Annas Umhang zu ihr und bis in diese Ausstellung.

 

Christine Läubli: was bruuchts, 2025
Christine Läubli: was bruuchts, 2025

Was ist wichtig? Was brauche ich? Mit wie wenig komme ich aus? Worauf kann ich verzichten – freiwillig / unfreiwillig? In unserer Wohlstandsgesellschaft können wir uns vieles leisten. Manche Dinge sind lebenswichtig. Andere wie Schokolade oder Kaffee brauchen wir nicht unbedingt, und doch möchten wir sie täglich geniessen – ist das schon Luxus? Edle Materialien wie Seide sind ein sinnlicher und haptischer Genuss. Hier steht der Luxus vor einem ökologisch sinnvollen Hintergrund: Wenn wir Dinge in höherer Qualität kaufen und sie hegen und pflegen, halten sie länger. Indem wir uns täglich einen kleinen Luxus gönnen, beruhigen wir uns: Wenn ich gut zu mir schaue und nett mit mir bin, habe ich mehr Kraft für meine Umwelt, dann kann ich auch ihr gut tun. Aber stimmt das auch, wenn ich global denke? Wo ist die Grenze zwischen sozialem und egoistischem Denken?

In der Gestaltung ist meine Arbeit eine Referenz an die Klosterkirche in Muri. Die barocke Pracht befindet sich mitten in einem bescheidenen Benediktinerklosters mit dem Motto «Beten und Arbeiten». Ich webte ein opulentes Gewebe, dem ich ein reduziertes gegenüberstelle. Auch die Technik «Weben» verweist auf das klösterliche Umfeld, in dem das Handwerk eine wichtige Rolle spielte.

 

 

Texte: Künstlerinnen, Bearbeitung Christine Läubli

Fotos: Künstlerinnen

 

Der nächste Blog beschreibt den Weg von Katharina Bürgins Objekt «KalifsKissen (oder Generallife), das ebenfalls in der Ausstellung «Luxese» zu sehen sein wird.

 

Infos:Luxese – Textilkunst zwischen Luxus und Askese

1. Staffel (historisch referenzierend)

29. März bis 20. Juli 2025

Markstrasse 4

5630 Muri

 

Öffnungszeiten: Di – So 11 bis 16 Uhr, ab 1. April bis 17 UhrRahmenprogramm https://www.murikultur.ch/singisenforum 

 

Die 2. Staffel (9. August – 2. November 2025) zeigt die Textilkunst als Ausdruck gesellschaftlicher Relevanz in Gegenwart und Zukunft, als Forschungsfeld und wichtigen Beitrag zum Diskurs um Ressourcenknappheit und Konsumverhalten.

 

 
 
 

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